Zeitgemäßer Knigge
Lesezeit: 10 Minuten | Videosequenzen: 8 Minuten
Wann haben Sie das letzte Mal „Danke“ gesagt – und es auch so gemeint? Und nicht als daher gesagte Floskel oder ausgesprochenes Füllwort?
Wahrscheinlich – wie die meisten von uns – eher selten. Wir haben unseren Fokus, unsere Aufmerksamkeit, auf andere Dinge verlagert als auf unsere Mitmenschen.
Versuchen Sie das nächste Mal, im Supermarkt an der Kasse Ihre/Ihren Kassiererin/Kassierer bewusst anzuschauen und mit einem Lächeln sowie einer kleinen Pause davor und danach „Danke“ zu sagen. Achten Sie dann genau darauf, wie sich die Haltung Ihres Gegenübers ändert, wie sich die Pupillen erweitern und die Überraschung ins Gesicht geschrieben steht.
Oder versuchen Sie das nächste Mal, wenn Sie in einem Smalltalk festhängen, sich wirklich für das Gegenüber zu interessieren. Dann fallen Ihnen auf einmal alle möglichen Fragen ein. Und Ihr Gegenüber erfährt ein Interesse, das er so wahrscheinlich seit langer Zeit nicht mehr entgegengebracht bekommen hat.
Aber warum sollte man das tun? Warum sich selbst mehr Arbeit machen als nötig? Was hat man davon? An dieser Stelle könnte ich mit tollen Thesen argumentieren wie “Es lohnt sich, um die Welt ein kleines bisschen besser zu machen”. Es geht aber viel mehr darum, zu spüren, wie es die eigene Neugierde in allen möglichen Situationen beflügelt. Wie die Freude über aufrichtige Wertschätzung die Stimmung des anderen zu mir verändert.
Soft Skills nennt man diese Bereiche heute im Beruf. Weil man sie wie einen sozialen Werkzeugkoffer versteht. Man nimmt das, was man braucht, und nutzt es dann, wenn man es braucht. In der Motivation und dem Ziel, diese Werkzeuge zu benutzen, liegt ein zentrales Problem: Wenn ich eine Holzverschalung für die Mülltonnen bauen muss, bin ich nicht begeistert, den Werkzeugkasten überhaupt in die Hand zu nehmen. Wenn ich allerdings endlich einen lang ersehnten Traum ausführen kann (Baumhaus für die Kinder, Fernsehwand im Wohnzimmer, Ankleidezimmer), dann kann ich es kaum erwarten den Werkzeugkasten in die Hand zu nehmen.
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Das WAN-System
Wie also kriegen wir es hin, dass Umgangsformen uns Spaß machen? Und wir nicht jedes Mal aufstöhnen, wenn wir sie wieder hervorkramen müssen? Ganz einfach, durch drei Dinge: Wertschätzung, Aufmerksamkeit und Neugierde – unser WAN-System.
Wertschätzung
Wer bekommt sie nicht gerne? Aber wieviel davon bekommt man wirklich? In Deutschland geht man davon aus, dass es eine stille Wertschätzung gibt. D. h. wenn ich nichts sage, ist das schon eine Wertschätzung für die geleistete Aufgabe. Das ist leider falsch. Wir sehen es leider viel zu oft aus einem sehr eingeschränkten Blickwinkel.
Zum Beispiel: Der Kollege hat mir richtig gut zugearbeitet – doch es kommt nur ein kurzes und knappes Danke. Und dann erstelle ich dieses Wahnsinns-Projekt, und der Chef nimmt sich nicht einmal die Zeit, einem zu sagen, wie gut man diesen schwierigen Job erledigt hat. Wie unverschämt!
Mit zweierlei Maß zu messen, ist für uns alle nicht schwer, aber nur weil wir in dem Augenblick bei unseren eigenen Angelegenheiten sind, statt bei dem, was direkt vor uns passiert. Anstatt dem Kollegen zu sagen, wie toll er das gemacht hat, gehen wir hin und sagen lediglich “Danke”. Weil wir gedanklich schon weiter sind und überlegen, wie wir diese Arbeit in unsere eigene einfließen lassen können.
Wenn wir uns auch nur 30 Sekunden Zeit nehmen würden und einfach mal nachfragen, ob es schwierig war oder ihn/sie besonders gestresst hat, dann sind das 30 Sekunden, die dem Gegenüber die Wertschätzung geben, die es braucht, um gerne wieder an den fachlichen Werkzeugkasten heranzugehen, wenn wir das nächste Mal danach fragen.
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Aufmerksamkeit
Setzen Sie sich hin und schauen Sie sich Ihre Kollegen, Mitschüler, usw. einfach mal an – ohne Wertung. Einfach mal ganz objektiv. Sie werden merken, dass sie Seiten entdecken, die sie vorher aufgrund Ihrer Scheuklappen nicht mitbekommen haben. Sie können sich Namen nicht merken? Was soll ich sagen – ich auch nicht! Jahrelang nahm ich mir vor, das zu verbessern. Aber sobald sich eine Person mir vorstellte, war der Name innerhalb weniger Sekunden schon wieder vergessen – zumindest war das so.
Nun schaue ich mir die Person im Moment des Kennenlernens genau an – und zwar noch bevor sie ihren Namen nennt – und vergleiche sie mit einer Person, die ich gut kenne (z. B. Timo Berger). Wenn die Person dann ihren Namen sagt (z. B. Ben), verankere ich diesen Namen in einer Eselsbrücke. Dazu nutze ich den neuen Namen als Nachnamen für die Person, mit der ich mein Gegenüber verglichen habe. In unserem Beispiel also: Timo Ben.
Durch die bereits investierte Aufmerksamkeit ist es viel einfacher, Namen zu behalten, da unser Gehirn gerne Dinge behält, für die es vorher Energie aufbringen musste. Mit dem Querverweis auf Ben kann ich beim nächsten Mal viel besser auf den Namen zugreifen.
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Neugierde
Man mag es kaum glauben, aber es ist der wichtigste Punkt im WAN-System. Denn ohne die Neugierde ist es weder möglich, Wertschätzung auszudrücken, noch aufmerksam zu sein. Wenn mich die Menschen um mich herum nicht interessieren, ist es schwer zu sagen, wie man mit diesen auskommen soll. Aus meiner eigenen Erfahrung heraus habe ich gelernt, dass man auch Menschen, die einen nicht interessieren, durchaus mit Neugierde betrachten kann.
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Erster Eindruck – nur 7 Sekunden
Wie oft kommt es vor, dass jemand den Raum betritt und Sie im ersten Moment denken – sympathisch oder unsympathisch? Tatsächlich sortieren wir jeden Menschen im Bruchteil einer Sekunde in ein von uns vordefiniertes Schema. Dieses Schema entwickelt sich aus unseren bisherigen Erfahrungen und Gefühlen. Ohne, dass wir es wollen, sortieren unsere Instinkte uns ein. Innerhalb der ersten 7 Sekunden wird dann dieser Eindruck nach unten oder oben korrigiert. Nach 7 Sekunden ist es schwer für uns, diesen ersten Eindruck noch einmal zu revidieren. So kommt es durchaus vor, dass wir eine Person als unsympathisch wahrnehmen, dies aber eigentlich nicht wollen.
Für den ersten Eindruck sind Körpersprache, Tonfall und Wortwahl entscheidend. Allerdings nicht im gleichen Maße. Die Körpersprache macht dabei den Großteil (mit 55 Prozent) aus. Also die Hälfte Ihres ersten Eindrucks können Sie schon durch eine souveräne Körperhaltung verbessern. Der Tonfall (Tonierung, Tonhöhe, Sprachgeschwindigkeit) machen 38 Prozent der ersten 7 Sekunden aus.
Was bedeutet, dass Sie nur 7 Prozent Ihrer Botschaft an Ihr Gegenüber durch das, was Sie sagen, ausdrücken.
Deshalb kann die gleiche Aussage von der einen Person bei uns als positiv gewertet werden und bei der anderen Person als negativ. Aber was hat das eigentlich mit Business Knigge zu tun?
Ganz klar – es ist der Start unserer Kommunikation. Mit der Wahl meiner Kleidung, meiner Körperhaltung und Ausstrahlung sende ich meinem Gegenüber bestimmte Schlüsselreize.
Zu wissen, wie man die Schublade bedient in die man gerne eingeordnet werden möchte, macht den Start der Kommunikation wesentlich einfacher. Wird man falsch „einsortiert“ passiert auch gerne mal, dass man eine Person auf Anhieb sympathisch findet, jedoch diese kein Interesse am Kennenlernen zeigt.
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Grüßen und Begrüßen
Den meisten Menschen ist nicht wirklich klar, dass es zwischen diesen beiden Varianten einen Unterschied gibt. Bei beiden Varianten ist der Blickkontakt mit Abstand der wichtigste Faktor. Blickkontakt zeigt meinem Gegenüber, dass ich aufmerksam bei der Sache bin. Dabei sollten Sie darauf achten, dass Sie es nicht übertreiben. Achten Sie in den nächsten fünf Gesprächen darauf, wie sie Blickkontakt halten und wie Ihr Gegenüber reagiert. Wenn die Person immer wieder wegschaut, bedeutet das, dass Ihr Blickkontakt zu fordernd und zu langwierig ist. Ein gutes Mittelmaß zu finden, schafft man nur mit Aufmerksamkeit und Training.
Beim Grüßen handelt es sich um eine nicht körperliche Begrüßung. Im Geschäftsleben können Sie davon ausgehen, dass immer wenn Blickkontakt entsteht, eine Reaktion darauf sofort erfolgen sollte. Ein Nicken, ein Lächeln oder ein „Hallo“ sind gute Reaktionen. Aber auch ein „Guten Tag“ oder „Guten Morgen“ kann nicht schaden. Auch wenn es theoretische Knigge-Regeln gibt, die sagen, wer wen zuerst grüßt, ist es ein Akt der Höflichkeit, jemanden zu grüßen und nicht erst darauf zu warten, dass dieser zuerst grüßt. Oft sind es Sekundenbruchteile, in denen ein Gruß ausgesprochen werden kann. Verpasst man das Zeitfenster, fühlt man sich unwohl. Deshalb sollte es egal sein, welchen Rang Sie in der Hierarchie bekleiden – grüßen Sie immer direkt. Auch dies erfordert eine gewisse Übung. Aber Sie können es sich ohne viel Aufwand zu eigen machen.
Bei der Begrüßung reicht der Ranghöhere dem Rangniederen die Hand. Auch dies ist eine Regel, die in den meisten Fällen eher für Verwirrung als für Klärung sorgt. Sind Sie der Gastgeber oder Chef, reichen Sie jemandem zu Begrüßung hoffentlich immer die Hand. Wenn Sie sich Ihrer eigenen Rolle nicht gewahr sind, so können Sie es einfach darauf ankommen lassen. Heute passiert es in unserem Kulturkreis nur noch in absoluten Ausnahmefällen, dass jemand, dem man die Hand reicht, diese nicht annimmt. Nehmen Sie immer eine Ihnen gereichte Hand an, um Ihr Gegenüber nicht zu brüskieren.
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Gastgeber-Rolle gegenüber Kunden
Was mache ich, wenn ich einen Kunden begrüße? Wichtig ist zunächst: Es gibt keine unwichtigen Kunden! Selbst wenn ich weiß, dass dieser Kunde keines meiner Produkte oder meiner Dienstleistungen abnehmen wird, ist er vielleicht der Pförtner für ein neues Netzwerk. Gerade bei Dienstleitungen kommen oft keine Verträge zustande und ein Jahr später findet man einen neuen Kunden vor, der durch die Empfehlung des damaligen „unwichtigen“ Kunden Ihren Kontakt sucht. Versuchen Sie immer, jeden Kunden – und kauft er nur eine einzelne Büroklammer – als wichtig anzusehen. Das klingt wesentlich einfacher, als es ist. Wenn man merkt, dass der Kunde es nicht ernst meint oder ein Abschluss in weite Ferne rückt, schwindet die Motivation deutlich. Gegen diesen Impuls muss man stetig ankämpfen, um ihn auf Dauer unter Kontrolle zu bekommen.
Wenn Sie jemanden in Ihrem Betrieb empfangen, sind Sie der Gastgeber. Sie sind die Vertretung für Ihren Vorgesetzten und repräsentativ für Ihre ganze Firma. Das sollte Ihnen bei jedem Satz und jeder Handlung immer präsent sein. Müssen Sie öfters solche Termine wahrnehmen, sollten Sie folgende Aufgabe einmal selbst lösen und eine betriebsfremde Person (sofern zulässig) diese ebenfalls absolvieren lassen.
Fahren Sie wie jeder Kunde mit dem Auto auf den Besucher-Parkplatz und betrachten Sie dabei den Weg ganz genau.
Sieht etwas ungepflegt aus? Fehlt irgendwo etwas Farbe? Ist klar, wo man als Kunde parken kann?
Nun machen Sie sich auf den Weg zum Gebäude.
Schauen Sie, was Ihnen auffällt. Sieht es so aus, wie Sie sich den Weg Ihres Kunden vorstellen?
Nun spielen Sie dieses Szenario für alle Bestandteile Ihres Besuchs durch (Empfang, Weg zum Büro, Büro oder Meeting-Raum)
Stehen irgendwo Kartons oder andere Gegenstände im Weg?
Liegt irgendwo Staub?
Grüßen die Kollegen, die entgegenkommen?
Gehen Sie und die zweite Person getrennt voneinander durch Ihren Betrieb und schreiben alles auf, was Ihnen einfällt – sofort – nicht im Nachhinein. Im Anschluss formulieren Sie eine E-Mail an Ihren Vorgesetzten mit allen Punkten. Sollten Sie Angst haben, dass es im Sande verläuft, setzten Sie – auf eigenes Risiko – wichtige Personen in cc.
Sie sollten in jedem Fall vorher schon einmal mit Ihrem Vorgesetzten gesprochen haben, sollte ein solcher Rundgang nicht in Ihrem Arbeitsauftrag enthalten sein.
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